Ertrinken-Was man alles wissen muss

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Im Sommer 2019 habe ich ein Kind beim Ertrinken beobachtet. Es war mein eigener Sohn. Es ist alles gut ausgegangen.

Und eigentlich hatte ich mir vorgenommen nur über die Leichtigkeit des Schwimmens zu Schreiben. Ich wollte Sie als Eltern an die Hand nehmen und ermutigen, das Schwimmen Ihren Kindern selber beizubringen. Ich wollte darüber schreiben, wieviel Spaß es macht und was es für eine tolle “Quality-Time” für die gesamte Familie ist. Leider berichten momentan die Medien fast täglich über tödliche Badeunfälle an deutschen Gewässern. Trauriger Anlass mich diesem für mich schwierigen Thema zu widmen: Dem Ertrinken.

Was genau ist Ertrinken
Ertrinken ist eine Unterform des Erstickens. Ausgelöst wird es durch Einatmen von Flüssigkeiten, das zum augenblicklichen Stimmritzenkrampf führt und eine Atmung verhindert. Dieser natürliche Reflex, der uns eigentlich vor den Folgen des Wassers in der Lunge bewahren soll, führt bereits nach wenigen Minuten zum Tod. Wird der Tod durch Ertrinken festgestellt, ohne dass Wasser in die Lunge gekommen ist, spricht man auch von trockenem Ertrinken.

Wie häufig kommt es vor?
Im vergangenen Jahr (2020), so gibt die DLRG in ihrer “Statistik Ertrinken” bekannt, kamen 378 Menschen durch Ertrinken ums Leben, davon 23 Kinder im Alter von unter 6 Jahren. Die DLRG geht davon aus, dass diese Zahlen in den kommenden Jahren annähernd gleich bleiben und im Bereich der unter 15-Jährigen sogar noch ansteigen. Grund hierfür: Die Auswirkungen der Pandemie während der keine Schwimmkurse angeboten wurden und auch der Schwimmunterricht in Schulen nicht stattfinden konnte. Erschreckend ist ebenfalls, dass in neun von zehn Fällen ein Erwachsener in der Nähe war, wenn ein Kind in Gefahr geriet. Hoffnung macht, dass 88% der Unfälle mit Ertrinken vermeidbar sind, wenn die Kinder konsequent im Auge behalten werden und keiner Ablenkung nachgegeben wird.

Wo ertrinken Kinder und Erwachsene?
Nach wie vor passieren die häufigsten Badeunfälle in Binnengewässern, also an Seen und Flüssen, einfach deswegen weil dort zu wenig Aufsicht stattfindet. Hinzu kommen weitere Gefahren wie Schlingpflanzen, Bruchkanten oder gefährliche Strömungen. Wenn für euch das Schwimmen in natürlichen Gewässern eine große Rolle spielt, dann empfehle ich euch die Lektüre meines Beitrages “Wo Schwimmenlernen am besten klappt”.

Aber auch wenn der Bademeister im Schwimmbad stets einen scharfen Blick auf das Geschehen hat, gilt es, den eigenen Nachwuchs unbedingt im Auge zu behalten.

Warum Ertrinken so tückisch ist:
Es ist einfach so schnell passiert! Ein Augenblick der Unachtsamkeit, ein zu langer Blick ins Smartphone oder eine offen gelassene Terrassentür auf einem Grundstück, auf dem sich ein Pool befindet und schon ist das Unglück geschehen. Es braucht nur wenige Minuten, bis ein Kind ertrunken ist: nach drei Minuten kommt es aufgrund des Sauerstoffmangels zu irreparablen Hirnschäden, nach fünf Minuten kann der Tod eintreten. Und das nur, weil man sich schnell eine Tasse Kaffee zapfen wollte.

Besonders gefährlich macht das Ertrinken die Tatsache, dass es nicht immer sofort erkennbar ist, was da gerade vor sich geht. Anders als oft im Film und Fernsehen dargestellt, schlagen Ertrinkende nicht laut schreiend und panisch um sich, sondern verschwinden lautlos von der Bildfläche. Sie gehen einfach unter!

Wer meine persönliche Geschichte kennt, der weiß, das genau das bei meinem Sohn passiert ist, als er vor knapp 2 Jahren beinahe ertrunken ist. Er ist einfach wie ein Stein untergegangen und man hat nichts, aber auch gar nichts gehört!

Ganz wichtig: Nicht nur Kinder – auch Erwachsene ertrinken meistens still.

Warum die meisten still ertrinken
Es ist eine Legende, dass nur Kinder still ertrinken. Auch Erwachsene schaffen es selten in einer Gefahrensituation über lautes Rufen auf sich aufmerksam zu machen. Auch das Rudern mit beiden Armen – das so viele aus Filmen kennen – fällt meist flach.

Woran du erkennst, dass jemand ertrinkt
Hier findest du eine Übersicht mit möglichen Anzeigen dafür, dass jemand gerade ertrinkt. Und wenn du dir nicht sicher bist, was da gerade im Wasser passiert: Hole professionelle Hilfe.

  • Kopf flach im Wasser, Mund auf einer Höhe mit dem Wasserspiegel
  • Zurückgelehnter Kopf mit offenem Mund
  • Glasige Augen, leerer unfokussierter Blick
  • Geschlossene Augen
  • Haar über der Stirn oder den Augen
  • Beine werden nicht verwendet bei vertikale Wasserlage
  • Hyperventilierung
  • Schwimmbewegungen ohne dabei vom Fleck zu kommen
  • Es sieht aus als würde die Person eine unsichtbare Leiter hochsteigen

Sekundäres Ertrinken – was ist das eigentlich?
Das wichtigste vorneweg: Ja, sekundäres Ertrinken kommt vor und ist eine Gefahr, die man auf dem Schirm haben sollte, wenn man mit seinen Kindern baden oder Schwimmen war. Aber es ist wirklich sehr sehr selten und in aller Regel, so Kinderärztin Dr. Katharina Kohler, geht dem sekundären Ertrinken auch ein Badeunfall voraus.

Schon kleine Menge von Wasser in der Lunge können zur Entzündungsreaktionen und Ödemen führen. Es kommt zu Atemproblemen und im schlimmsten Fall zu Ersticken. Tückisch: In aller Regel tritt das sekundäre Ertrinken zeitversetzt (nach Stunden bis Tagen) auf.

Die Symptome:

  • Häufiges Husten
  • Brustschmerzen
  • Schwierigkeiten beim Atmen
  • Starke Müdigkeit
  • Übelkeit

Was tun im Ernstfall?
Das oberste Gebot in der ersten Hilfe lautet übrigens: Bringen Sie selber nicht in Gefahr. Gerade am Wasser ist das natürlich besonders wichtig. Nehmen Sie eine Rettungsboje zur Hand oder warten Sie bei Strömung oder ähnlichen Gefahren auf den Rettungsdienst.

Wenn Sie sich entscheiden, die in Not geratene Person selber zu retten, sollten Sie, sobald die Rettung erfolgreich durchgeführt wurdet, als erstes sofort professionelle Hilfe rufen.

Ist die Person noch ansprechbar und hat sich vielleicht nur verschluckt, dann beruhigen Sie sie und warten Sie gemeinsam auf den Notarzt. Ist die Person nicht ansprechbar und hat keinen Puls mehr, starten Sie sofort mit der Wiederbelebung.

Es ist an dieser Stelle wichtig, die dramatischen Verläufe beim Ertrinken aufzuzeigen, weil die Gefahr immer noch zu sehr unterschätzt wird. Dabei sind Sie nicht machtlos. Drei Faktoren sind dabei von Bedeutung.

Haben Sie ein Auge auf Ihr Kind – und zwar permanent!

Bis ein Kind sicher schwimmen kann vergehen Jahre. Selbst wenn der Nachwuchs sicher bis an den Beckenrand zu paddeln scheint, heißt das noch lange nicht, dass er sich in einer Notsituation ans feste Ufer retten kann. Deswegen gilt immer und überall, die Augen uneingeschränkt aufs Kind zu richten, wenn es sich im Wasser befindet oder in der Nähe von Wasser spielt. Gerade wenn Sie mit mehreren Eltern unterwegs sind, sollten Sie absprechen, wer genau gerade die Aufsicht führt, denn zu schnell denkt man, dass schon genug Menschen einen Blick auf das Geschehen haben.

Deswegen sind auch schon kurze Abwesenheiten brandgefährlich: schnell die Wäsche in den Trockner laden, kurz die neuesten Nachrichten auf dem Handy checken oder gar ein Mini-Schläfchen auf der Liege halten, kann fatale Folgen haben.

Schwimmhilfen mit Bedacht einsetzen
Schwimmhilfen sind ein Thema für sich und egal ob Sie sich für oder gegen sie entscheiden: Sie schützen nicht vor Ertrinken.

Regeln für Erwachsene
In den Medien ist die Gefahr des Ertrinkens von Kindern ziemlich präsent. Dabei vergisst man schnell, dass in Deutschland deutlich mehr Jugendliche und Erwachsene bei Badeunfällen sterben. Bitte haltet euch auch an die gängigen Regeln:

  1. Niemals alkoholisiert Schwimmen.
  2. Wer nicht Schwimmen kann: Nur bis maximal zum Bauchnabel ins Wasser.
  3. Verbotsschilder und Warnhinweise beachten.
  4. Nicht ins Wasser springen, ohne die Tiefe zu prüfen.
  5. Nie alleine Schwimmen gehen.
  6. Vor dem Baden abkühlen.
  7. Nur an ausgewiesenen Badestellen schwimmen.
  8. Das bedeutet: Die meisten deutschen Flüsse sind tabu. Und auf gar keinen Fall im Rhein schwimmen. Niemals.

Schwimmenlernen schützt
Manchmal reicht das alles aber einfach nicht. Kinder sind eben Kinder. Sie hören nicht immer auf uns, sie hauen auch mal ab, schubsen oder tauchen sich gegenseitig ins Wasser. Und wer wie ich mit mehr als einem Kind am Wasser ist, der weiß: Es gibt immer Sekunden, vielleicht auch mal Minuten, wo man eben nicht alle im Auge haben kann.

Und genau in solchen Momenten kann eine ausreichende Schwimmfähigkeit den entscheidenden Unterschied machen. Wasserkompetenz und Respekt werden beim häufigen Schwimmen ebenso geschult und entwickelt haben. So verstehen Kinder einfach besser, was mit ihrem Körper im Wasser passiert und lernen sich selber besser einzuschätzen.

Ihre Dr. Mynia Deeg

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