EXPONENTIELLES WACHSTUM IN EINER ENDLICHEN WELT – Teil 2 DIE WEIZENKORNLEGENDE

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Exponentielles Wachstum in einer endlichen Welt… Wir kennen diese Zusammenhänge zur Genüge aus der Physik und der Psychologie: Belastungen sind nicht grenzenlos steigerbar. Früher oder später kommt der Punkt, an dem ein System dem ausgeübten Druck nicht mehr gewachsen ist. Wenn dieser Punkt erreicht ist, bricht das System unweigerlich zusammen. Vor jeder Straßenbrücke stehen auf beiden Seiten Schilder, die auf ihre maximale Belastbarkeit hinweisen. Wer zu viele Bücher auf sein Regalbrett des Bücherregals stellt, wird dieses zunächst durchhängen und am Ende brechen sehen.

Teil 2: DIE WEIZENKORNLEGENDE
Einst lebte in Indien ein König namens Sher Khan. Während der Herrschaft des Königs erfand Sissa das Schachspiel. Der König war von diesem Spiel sehr angetan. So bat er Sissa an seinen Königshof. Als Sissa vor ihn trat, sagte der König, er wolle ihn für diese Erfindung reichlich belohnen Er sei reich und mächtig genug, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Sissa schwieg und dachte nach. Er bekam Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Als Sissa danach vor den König trat, bat er um ein einziges Weizenkorn auf dem ersten Feld des Schachbrettes. Der König lachte und fragte ihn, ob das wirklich alles sei. Er könne sich doch mehr wünschen? Da antwortete Sissa, er hätte gerne auf dem zweiten Felde zwei Weizenkörner, auf dem dritten vier, auf dem vierten acht, auf dem fünften Feld sechzehn Weizenkörner.

Die Berater des Königs begannen schallend zu lachen, weil sie diesen Wunsch für äußerst dumm hielten. Schließlich hätte der Mann sich Gold, Edelsteine, Land oder alles mögliche andere wünschen können.

Der König war verärgert, weil er dachte, Sissa halte ihn für zu arm oder zu geizig. Sissa wünschte sich vom König, er solle ihm für alle Felder Weizenkörner geben – auf jedem Feld doppelt so viele Körner wie auf dem Feld davor. Doch der Wunsch war in den Augen des Königs dumm, weil er ihm viel mehr hätte geben können. Der König schickte Sissa vor das Palasttor und ließ ihn warten. Dorthin würde man ihm seinen Reis bringen.
Der Weise ging lächelnd hinaus. Am Tor setzte er sich und wartete geduldig auf seine Belohnung.

Abends erinnerte sich der König Sher Khan an den seltsamen Wunsch und fragte, ob Sissa seine Belohnung schon erhalten habe. Seine Berater wurden nervös und erklärten, dass sie die Belohnung nicht hätten zusammenbringen können – es sei einfach viel zu viel, und die Getreidespeicher würden nicht genug Weizen enthalten, um ihn auszuzahlen.

Da wurde der König wütend und schimpfte, sie sollten dem Mann endlich seine Belohnung geben. Schließlich habe er es versprochen und das Wort des Königs gelte.

Da erklärten seine Berater und der Hofmathematiker, dass es im gesamten Königreiche nicht genug Weizen gäbe, um den Wunsch des Mannes zu erfüllen. Ja, dass es auf der gesamten Welt nicht so viel Weizen gäbe. König Sher Khan schwieg verblüfft. Dann fragte er, wie viele Weizenkörner es denn seien. 18.446.744.073.709.551.615 Reiskörner, war die Antwort. Da lachte der König schallend. Er ließ Sissa zu sich rufen und machte ihn zu seinem neuen Berater.

Sissa war sich einer bedeutenden Eigenschaft der Exponentialfunktion bewusst. Die rasante Zunahme des Wachstums. Diese Dynamik wird von den meisten Menschen unterschätzt. Im Endergebnis bleibt festzuhalten, dass Systeme, deren ureigenste Natur das exponentielle Wachstum ist, letztendlich immer zusammenbrechen müssen. Denn in einer endlichen Welt ist ungebremste Expansion auf Dauer nicht möglich.

Goldige Grüße
Ronny Wagner

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