Alle bekannten Hochkulturen wussten um die „Heilkraft des Atems.“
Heute im SCHLAUmex-Experteninterview Karin Meinzer, zertifizierte Atem- und Psychotherapeutin. Sie lädt ein mitzuatmen und der Heilkraft des Atmens zu folgen.
Liebe Karin, was genau machst Du und wie kam es dazu?
Seit 2015 bin ich zertifizierte Atem- und Psychotherapeutin. Ich arbeite in eigener Praxis mit Menschen jeden Alters. Zeit meines Lebens haben mich die Themen Atem und Bewegung fasziniert.
Mit 9 Jahren fing ich an Ballettunterricht zu nehmen, mit dem Ziel Tänzerin zu werden, entschied mich dann aber für ein BWL Studium und behielt das Tanzen als Hobby. Mit Mitte 20 lernte ich beim Tanzen meine erste Gesangslehrerin kennen. Bis heute verbindet uns eine tiefe Freundschaft.
Zur Atemarbeit kam ich aber erst durch meine großartige Gesangslehrerin hier in Leipzig, wo ich seit 1999 wohne und arbeite. 2007 lud Sie mich zu einem Atemworkshop in die Musikschule ein. Ich wusste sofort, das ist es, das muss ich weitermachen, da gibt es Tolles zu entdecken.
Bis ich meine Ausbildung dann 2012 im Januar starten konnte, musste ich allerdings noch ein bisschen warten.
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und müssen tagtäglich vielen Anforderungen genügen und großen Druck und Stress aushalten. Der Atem passt sich im Verlauf unseres Lebens an und entwickelt Muster und Festhaltungen.
Meine Aufgabe ist es die Menschen, die zu mir kommen, zurück zu ihrem ureigenen Atemrhythmus zu führen. Über die Atemarbeit lernen meine KlientInnen diese Muster und Festhaltungen zu erkennen und zu lösen. Damit bekommen Sie auch eine Möglichkeit an die Hand sich immer wieder ins Gleichgewicht zu bringen und ihr eigenes Maß zu erkennen und zu respektieren.
Was beinhaltet die Atemtherapie?
Die Atemtherapie/- pädagogik ist eine eigenständige Disziplin, die leider bis jetzt noch ein stiefmütterliches Dasein neben anderen Methoden führt.
Sie wirkt auf drei Ebenen:
- motorisch – muskulär, d.h. alles, was mit Muskelspannung und Aufrichtung beziehungsweise Körperhaltung zu tun hat, kann über den Atem angesprochen werden. Jede noch so kleine Bewegung hat Einfluss auf unseren Atem und natürlich auch umgekehrt.
- Emotional-kognitiv, da alles was uns an guten oder traumatischen Erlebnissen begegnet, zuerst über den Atem in uns aufgenommen wird, d.h., wenn wir erschrecken, stockt uns der Atem, wenn wir angestrengt sind, atmen wir flach und in die Brust. Wenn wir lachen und fröhlich sind hüpft und tanzt das Zwerchfell, der Hauptatemmuskel schwingt bis zu 8 cm hoch und runter. Dieses freie Schwingen sorgt für eine intensive Massage der unteren Organe, der Stoffwechsel wird angeregt und die Verdauung. Außerdem wirkt sich ein gelöstes Zwerchfell positiv auf den Blutdruck und den Kreislauf aus. Die Atmung ist der einzige Teil des vegetativen Nervensystems, der sich willentlich beeinflussen lässt.
- Wirkt sie vegetativ, da die Atmung als Teil des vegetativen Nervensystems auch einen großen Anteil z. B. am gesunden Schlaf hat.
Lässt sich die Atemtherapie auch im Alltag anwenden?
Atemtherapie lässt sich immer und überall anwenden. Im beruflichen, privaten und familiären Kontext.
In meinen Kursen, Workshops und Coachings lernen Menschen genau das: sich auf ihren Atem zu besinnen, sich zu spüren und anzunehmen, was ist. Das auch ernst zu nehmen und sich nicht zu überfordern. Das fördert die Gesundheit und stärkt die Resilienz. „Atmen ist zu sein wie du bist.“
Wo hilft Atemtherapie bei Kindern?
Kinder sind für Atemtherapie sehr empfänglich. Sie sind von Natur aus neugierig und lassen sich spielerisch auf Übungen ein. Sie sind noch nicht so kopflastig und probieren sich gerne aus. Bereits im Grundschulalter zeigen Kinder immer häufiger Konzentrationsschwierigkeiten, haben Schlafprobleme oder ADHS. Auch Allergien sind weit verbreitet. In diesen Fällen kann die Arbeit mit dem Atem sehr viel bewirken und langfristig zu besserer Wahrnehmung und Wohlbefinden beitragen. Da Atem und Bewegung unmittelbar miteinander zusammenhängen, lassen sich Kinder fröhlich, interessiert und spielerisch auf die Entdeckungsreise zu ihrem Atem ein. Dabei kann die ganze Familie mit einbezogen werden.
Ersetzt eine Atemtherapie bei Atemstörungen einen Arztbesuch?
Nein, das tut sie definitiv nicht! Der Atem/ die Atmung ist eine lebenswichtige und seriöse Angelegenheit, daher sollte von einem Arzt immer vorher bestätigt werden, dass keine Kontraindikation vorliegt. Atemarbeit kann therapiebegleitend sehr viel beitragen zur inneren und äußeren Balance, macht widerstandsfähiger und führt zu Resilienz.
Funktioniert Atemtherapie auch online?
Ja, definitiv sehr gut sogar! Das hätte ich mir vor Corona nicht vorstellen können, aber im Rückblick und mit meiner eigenen Erfahrung als Teilnehmerin in einer Atem Online Pilot Projekt Gruppe kann ich es sogar empfehlen. Sowohl im 1:1 Coaching, als auch in Gruppen mit Kindern und Groß- Eltern.
Hast Du noch Tipps für unsere Leser?
Ja, einen Tipp, den ich am Anfang meinen Klienten gerne gebe ist das Gähnen. Die meisten schauen mich dann ein wenig ungläubig an und denken ich scherze, aber sie stellen sehr schnell fest, dass es eine tolle lösende Wirkung hat, das Gähnen.
In der Tat hat das Gähnen einen sehr schlechten Ruf in unserer Leistungs-Gesellschaft und ist verpönt und negativ besetzt. Sofort wird damit Müdigkeit und Desinteresse verbunden/assoziiert, dabei hat es ausschließlich positive Wirkungen.
Ich möchte alle herzlichen einladen, das Gähnen für sich auszuprobieren und mir zu schreiben, welche Wirkung sich gezeigt hat. Jede Mail, die ich dazu bekomme, werde ich persönlich beantworten und einen weiteren individuellen Atemtipp geben.